Nikolskaja, Olga Fjodorowna

Meine Großmutter. Major des Sanitätsdienstes der Roten Armee

Olga Fjodorowna wurde in eine arme Bauernfamilie hineingeboren. Da es ihrer Familie oft an den nötigen Lebensmitteln mangelte, tauschte Olga diese mit ihrem Nachbarn. Als Gegenleistung half sie diesem bei der Gartenarbeit oder Kinderbetreuung. 

Als sich die sowjetische Regierung etablierte, erlangte Olga gerade ihren Schulabschluss und schrieb sich daraufhin am Woroneschen Medizinischen Institut ein. 

1941 war O.F. Nikolskaya eine erfahrene Kinder- und Militärärztin, die in einem Krankenhaus im Gebiet Brjansk finnische Kriegsverwundete behandelte.

Am 22. Juni 1941, erhält Olga Fjodorowna, welche bereits Major(-in) des Sanitätsdienstes der Roten Armee ist, den Befehl, ein Krankenhaus zu bilden, zu dessen Leiterin sie ernannt wird.

 Nach 5 Tagen ist das Krankenhaus bereits im Gebäude der landwirtschaftlichen Hochschule untergebracht. Der erste Patient, ein ausgebrannter Pilot, der in einem Luftkampf abgeschossen wurde – stirbt.

Die Ärzte des Krankenhauses, das in Karatschew Nr. 1155 während des Krieges gebildet wurde, haben 42 Tausend Verwundete behandelt und in den aktiven Dienst zurückgebracht. Dies entspricht ca. 3 Divisionen.

Ende September 1941 kommt nun der Befehl das Krankenhaus nach Woronesch zu verlegen.

Die Lazarettstaffel passierte den Bahnhof Orjol mehrere Stunden, bevor deutsche Panzer am Morgen des 3. Oktober in die Stadt eindrangen. Der Zug mit Familien des Personals konnte nicht mehr passieren.

Im Winter 1941 nahm das Lazarett Nummer 1155 in der Nähe der Stadt Yelets die Verwundeten von

der südlichen Flanke der Schlacht um Moskau auf. Im Sommer 1942 folgte die Verlegung nach Stalingrad.

Major Nikolskaya führte die Krankenschwestern und das Krankenhauspersonal zu Fuß an.

 nur zwei Wagen standen für Chirurgen, ältere Ärzte und Instrumente zur Verfügung: ,,Über die Straßen des rechten Wolga-ufers flogen ab und zu feindliche Flugzeuge, vor denen wir uns verstecken mussten.‘‘ 

Daraufhin liefen die Menschen weiter. In drei Tagen hatte der Menschenzug schon fast 150 Kilometer hinter sich gebracht, als sich endlich Autos näherten.

In der Nähe von Stalingrad, am linken Wolgaufer, lagen die Verwundeten auf dreistöckigen Kojen in Bauernhütten. Eine Menge Läuse unter dem Putz plagte die Verletzten. Aber die ersten Worte der Soldaten an den Arzt, der eintrat waren nicht über ihr Leiden. Die erste Frage ist eine andere: ,,Wie geht es Ihnen in der Stadt? Halten unsere Männer durch?‘‘. Olga Fjodorowna erinnert sich: Es war undenkbar ohne Gottes Hilfe, die höchste Stufe von Massen-Mut und Selbstlosigkeit.

Die Sanitäter arbeiteten rund um die Uhr. Als Leiterin der medizinischen Abteilung des Krankenhauses war Major Nikolskaya durch ihre Arbeit ein Beispiel an Selbstlosigkeit.

Am 2. Februar 1943 kapitulierte die letzte Gruppe der eingekesselten Faschisten. Das Lazarett wurde angewiesen, dreihundert verwundete und erfrorene deutsche Gefangene aufzunehmen.

Olga Fjodorowna erhielt für ihre Arbeit die Medaille zur Verteidigung von Stalingrad.

Im Juli 1943 gelang es dank ihres Mutes und ihrer Entschlossenheit, ein Krankenhaus zu evakuieren, das an der Südflanke des Kursker Bogens von deutschen Panzern angegriffen wurde. Für die Rettung von verwundeten Krankenhauspersonal wurde sie mit Medaillen :,,Für Kriegsverdienst‘‘ und später mit dem Orden des Großen Vaterländischen Krieges ausgezeichnet.

In der Schlacht von Orel-Kursk wurden die Nazis besiegt und zogen sich zurück, wobei sie ,,verbrannte Erde‘‘ (fast vollständige Zerstörung des Gebiets) hinterließen. Im August 1943 wurde das Gebiet Orjol vollständig befreit. Olga

Fjodorowna wurde ein Auto gegeben, um ihre Kinder zu finden. Aber Karatschew wurde komplett zerstört.. Die überlebenden Menschen wurden in den Westen vertrieben. Das Heimatdorf und alle umliegenden Dörfer wurden ebenfalls zerstört – die Kirche im Dorf Gerasimowo wurde von den Deutschen gesprengt. Die wenigen überlebenden Mitbewohner erzählten, wie die Faschisten mit Brandgeschossen Strohdächer von Hütten in Brand setzten, wie sie, aus den Maschinengewehren über ihren Köpfen schießend, nach Westen

fuhren und auf der Stelle diejenigen erschossen, die sie nicht retten konnten. Über ihre Kinder und die Familie war nichts zu erfahren. Olga Fjodorowna kehrte ins Krankenhaus zurück, jedoch konnte sie nicht arbeiten – ihre Hände zitterten aufgrund des Erlebten.

Aber unerwartete Hilfe war im Anmarsch. Der Chef der Sanitätsabteilung der Front, General des Sanitätsdienstes Arsenij Jakowlewitsch Barabanow kam mit einem Inspektionsbefehl  ins Krankenhaus. Ihm wurde gesagt, dass die Chefin des medizinischen Dienstes ihre Kinder nicht gefunden hat. Daraufhin

berichtete er Olga, dass ihre Kinder in Weißrussland aufgefunden wurden.

Major Nikolskaya ging wieder an die Arbeit, zurück an die Front. Bis heute sind ihre Angehörigen diesem General dankbar, der sich nicht nur als hervorragender Chef der Militärmedizin, sondern auch als ausgezeichneter Psychologe erwies.

Im Sommer 1944 wurde Weißrussland während der Operation ,,Bagration‘‘befreit. In der Nähe von Witebsk gelang es Olga Fjodorowna, ihren 12-jährigen Sohn Kolja zu finden, der drei Jahre zuvor verloren gegangen war

und von einem eingesessenen Bauern gerettet wurde. Sie dankte dem Herrn und kniete vor den Frauen nieder, die ihren Sohn zusammen mit ihren Kindern gerettet hatten.

Etwas später wurden in der Stadt Baranowitschi weitere Mitglieder ihrer Familie gefunden – ihr Ehemann, ihre Tochter und ihre alte Schwiegermutter. 

 In der weißrussischen Stadt Slonim nahm das Evakuierungskrankenhaus Nr. 1721 jede Nacht von Zügen Hunderte von Verwundeten bei den heftigen Kämpfen am Brückenkopf von Sandomierz auf. Die Ärzte standen 24 Stunden am Tag an ihren Operationstischen.

 Оlga Nikolskaya beaufsichtigte die Entladung der Waggons, die die Verwundeten aufnahmen, welche in den Händen von Krankenschwestern und Pflegern des Krankenhauses kamen. 

Ein Unglück ereilte das nahe gelegene Krankenhaus Nr. 1723: eine polnische Nazi-Bande fing nachts einen Wagenzug mit Verwundeten ab – der Fahrer wurde erschossen, mehr als zwanzig verwundete Soldaten, wurden erstochen…

In den letzten Monaten des Krieges gab es weniger Verwundete. 

Nach dem Krieg sagte Olga Fjodorowna, dass die Ärzte an der Front allen Grund hatten, sich vor der Leistung des russischen Soldaten zu verneigen. Unsere Militärärzte verdienen die gleiche Bewunderung wie jene, die auf den Feldern kämpften.

Im Jahr 1999 fand in Karatschew eine Stadtversammlung zum hundertsten Geburtstag von Olga F. Nikolskaja statt. Warme Worte wurden über sie von Ärzten und Krankenschwestern- ihren ehemaligen Kollegen und auch von ihren Patienten gesprochen.

Neben ihren militärischen Auszeichnungen erhielt Olga Fedorowna den Lenin-Orden für die niedrigste Kindersterblichkeitsrate in der Region, den Titel ,,Verdienter Arzt der RSFSR‘‘ und den Titel ,,Ehrenbürger der Stadt‘‘. In der letzten Periode ihres Dienstes in ihrer Heimatstadt waren fast alle Bürger und deren Kinder ihre Patienten. Sie war in der ganzen Stadt bekannt und von allen respektiert. Olga Fjodorowna starb in Kolomna im Alter von 86 Jahren, im Haus der Familie. Beerdigt wurde sie in Karatschew. 

Das Schicksal von Olga Fjodorowna ist eines der Schicksale der glorreichen Generation von Frauen in Russland.